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Egbert Harbert als Hochschullehrer von Karl Gerke

Egbert Harbert als Hochschullehrer von Karl Gerke

1.

An unserer verehrlichen Carolo-Wilhelmina wird das Lehrgebiet Praktische Geometrie, Geodäsie, Vermessungskunde seit mehr als hundert Jahren von Kollegen vertreten, die diese Disziplin der Geowissenschaften eigens studiert haben. Vorher wurden die Vorlesungen und Übungen dieses Faches seit der Gründung des Collegium Carolinum im Jahre 1745 von Mathematikern, Offizieren und Bauingenieuren gehalten. So las z.B. 1782 der Naturwissenschaftler Eberhard August Wilhelm von Zimmermann Arithmetik nach Kästner sowie Figur der Erde und der Artillerie-Leutnant Johann Carl Moll Geometrie nach Belidor sowie Feldmeßkunst nach Böhm. Die Folge der Lehrer weist eine beachtliche Zahl bekannter Persönlichkeiten auf.

Vor hundert Jahren übernahm hier Carl Koppe den Lehrstuhl für Praktische Geometrie, dessen wir im Vorjahr gedacht haben. Er war der erste Geodät an der Carolo-Wilhelmina, wir verdanken ihm hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Triangulation sowie der Trassierung, aber auch bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der Bildmessung, der Photogrammetrie. Überblicken wir die Reihe seiner Nachfolger, so kommen wir über Heinrich Johann Hohenner (1907 - 1910), Martin Näbauer (1910 - 1917), Wilhelm Lührs (1917 - 1922) zu Theodor Egbert Harbert, der seitdem und bis heute die längste Zeitspanne von 1922 bis 1951, also fast 3 Jahrzehnte, unser Fachordinarius war und dem das heutige Gedenk-Kolloquium gewidmet ist.

2.

Theodor Egbert Harbert wurde am 25. 11. 1882 - also heute vor 100 Jahren - als ältester Sohn des Rechnungsrats Theodor Friedrich Oskar Harbert (1849 - 1926) und seiner Ehefrau Mathilde Wilhelmine geb. Walther (1859 - 1939) in Arnsberg/Westfalen geboren. Er hatte 8 Geschwister, 4 Brüder und 4 Schwestern, 3 seiner Brüder haben im 1. Weltkrieg ihr Leben lassen müssen, der 4. Bruder erhielt 1910 die Priesterweihe und war viele Jahre Pfarrer, geistlicher Rat und Prälat in Magdeburg und in der sauerländischen Heimat, von seinen Schwestern waren 2 unverheiratet, die Jüngste hat den Pfarrer-Bruder jahrzehntelang gepflegt und lebt noch in Arnsberg. Die Eltern seines Vaters waren der Oberförster Egbert Georg Franz Karl Theodor Harbert (1819 - 1891) und Franziska geb. Pull (1831 - 1919). Die Großeltern mütterlicherseits waren der Kreissekretär Karl Friedrich Walther (1828 - 1886 und Katharina Kasparina geb. Menge (1820 - 1888) Alle waren ihrer sauerländischen Heimat und ihrem Glauben tief verbunden. In der väterlichen Ahnenreihe waren alle Ehen sehr kinderreich.

3.

Egbert Harbert besuchte nach der Volksschule das Gymnasium Laurentinum in Arnsberg und beendete seine Schulzeit 1902 mit der Reifeprüfung. Nach einem Jahr Vorpraxis (1902 - 1903) in Meschede studierte er an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin Geodäsie und Kulturtechnik (1903 - 1905). Seine Lehrer waren in Mathematik Otto Reichel, in Geodäsie Ernst Hegemann und Christian August Vogler, in Geologie, Bodenkunde und Kulturtechnik Hans Gruner, Albert Orth und Ludwig Wittmack, in Wirtschaftswissenschaften Max Sering und Hugo Werner. Im Frühjahr 1905 bestand er die Landmesser-Prüfung und das große Kulturtechnische Examen.

Danach begann er als wissenschaftlicher Assistent für den geodätisch Unterricht an der Landwirtschaftlichen Hochschule seine 1. Lehrphase (1905 - 1908), nutzte daneben die Zeit als vollimmatrikulierter Student an der Universität sowie als Hörer an der Technischen Hochschule zum Weiterstudium der Höheren Geodäsie und der Astronomie.

Es folgten dann 2 Jahre (1908 - 1910) praktischer Tätigkeit als Umlegungs- landmesser bei der Generalkommission in Düsseldorf, deren Abschluß die Prüfung für den höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst bildete.

Aus seiner Rückkehr nach Berlin in eine 2. Lehrphase als wissenschaftlicher Assistent an der L.H. und zum weiteren Vertiefungsstudium an der Universität und der T.H. (1910 - 1914) darf gefolgert werden, daß er die Wissenschaft der Praxis vorzog. So hatte er dann Höhere Geodäsie und Astronomie bei Friedrich Robert Helmert, Karl Gustav Förster, Otto Eggert, Julius Bauschinger und Ludwig Struve, Mathematik bei Walther Jacobsthal und Georg Jakob Wallenberg, Meteorologie bei Gustav Hellmann, Hugo Hergesell und Emil Less und schließlich Philosophie bei Ernst Cassirer gehört.

Während des 1. Weltkrieges (1915 - 1918) finden wir Egbert Harbert als Feldartillerist, als Feldtrigonometer, als Führer einer Raumbildgruppe - Stereophotogrammeter - und auch als höheren Vermessungsbeamten bei Kriegsvermessungsabteilungen sowohl auf dem westlichen, als auch auf dem östlichen Kriegsschauplatz. Diese Einsätze und die dabei gewonnenen Eindrücke regten ihn an, besser zwangen ihn, zu ernstem Nachdenken und später zur Veröffentlichung seiner kritischen Gedanken.

Nach Kriegsende zog es ihn wieder nach Berlin, nochmals in seiner 3. Lehrphase (1919 - 1922) wirkte er an der L.H. als wissenschaftlicher Assistent und Dozent mit venia legendi (1919), er hatte sich so qualifiziert, daß er ztw. Geheimrat Vogler vertreten durfte. Den Abschluß seiner Studien- und Assistentenjahre erreichte er mit der Promotion zum Dr. phil. an der Universität Berlin (31. 5. 1921) mit den Fächern Höhere Geodäsie, Astronomie, Meteorologie und Philosophie, die eingereichte Dissertation ''"uber Untersuchungen von Libellenstörungen bei Feineinwägungen des geodätischen Instituts der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin'' (Berlin 1920), brauchte nicht gedruckt zu werden.

Wenn ich den Bildungsgang von Egbert Harbert hier der Darstellung seiner 4. Lehrphase als Hochschullehrer an unserer Technischen Hochschule etwas nüchtern und breit vorangestellt habe, so um zu würdigen, mit wie reichen theoretischen und praktischen Grundlagen er s. Zt. hierher gekomnen ist.

4.

Inzwischen war an der T.H. Braunschweig durch den Fortgang von Wilhelm Lührs nach Danzig der Lehrstuhl für Geodäsie frei geworden. In dem Berufungsverfahren für die Wiederbesetzung dieses Lehrstuhls wurde Egbert Harbert an die 1. Stelle gesetzt, er nahm den Ruf an und wurde zum 1.4.1922 o.Professor der Geodäsie und Vorstand des Geodätischen Instituts an unserer Carolo-Wilhelmina.

Mit ihm kamen nach Braunschweig seine junge Frau Gertrud Elisabeth geb. Gesell, die er Ende 1919 in Berlin geheiratet hatte sowie die inzwischen geborenen Kinder Ernst und Ilse. Die erste Wohnung lag in unmittelbarer Hochschulnähe Pockelsstraße, so daß alle Zeit der Familie und der Arbeit gewidmet werden konnte.

Egbert Harbert, der aus der Geodäten-Schule von Vogler, Hegemann, Helmert und Förster kam, hatte nun das Fach im Studium der Architekten, Bau- und Maschineningenieure, auch einzelner Naturwissenschaftler und Mathematiker und natürlich der Geodäten zu vertreten. In wohlvorbereiteten Vorlesungen und praxisorientierten Übungen führte er die Studierenden meist in die niedere Geodäsie ein, bot indessen auch Lehrveranstaltungen aus der höheren Geodäsie an. Und seinen ''Helmert'' kannte er wohl !

Nach dem Vorlesungsverzeichnis für das Studienjahr 1923/24 z.B. kündigte er an:

  • für Architekten und Maschinenbauingenieure
    Grundzüge der Geodäsie, Vermessungsübungen I
  • für Bauingenieure und Geodäten
    Geodäsie I und II, Vermessungsübungen II, nebst Ausarbeitungen, Planzeichnen
  • privat und für Geodäten
    Höhere Geodäsie, Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate, Grundzüge der sphärischen Astronomie und der geographischen Ortsbestimmung, Das staatliche Vemtessungswesen, Kartennetzentwurfslehre, Ausgewählte Kapitel aus Vermessungswesen und Kartenkunde nebst Geländeübungen

Wahrlich ein enormes Maß an Vorlesungen und Übungen, die er als Vorstand des Geodätischen Instituts mit nur einem planmäßigen Assistenten bewältigte. Mit vorbildlichem Einsatz, mit didaktischem Geschick, gepaart mit Klarheit und mit Ansporn zur Leistung und zum Können, den Fortschritt anerkennend, so gelang ihm das von Anbeginn. Dazu wirkte Egbert Harbert auch in der akademischen Selbstverwaltung der T.H. mit, von 1923 bis 1926 war er Dekan der Abteilung für technische Physik, Mathematik und Naturwissenschaften, zu der das Geodätische Institut s.Zt. gehörte. Die T.H. war 1923/24 noch in 6 Abteilungen gegliedert.

Er pflegte die Arbeit in kleinen Gruppen mit guter Betreuung, kannte bei der damaligen Studentenzahl natürlich jeden Einzelnen und wußte um dessen fachliche Interessen und menschliche Neigungen oder auch Nöte. In diesen Meßgruppen haben sich Lebensfreundschaften angebahnt. Mit seinem Fahrrad besuchte er während der Feldübungen sämtliche Gruppen, um zu helfen, zu unterstützen oder auch zu berichtigen oder zu kritisieren. So war eigentlich immer der Erfolg der Übung gesichert. Auch die Zeichenarbeiten oder Rechenübungen im Hörsaal konnte er stets übersehen, denn sein Arbeitszimmer lag neben dem Hörsaal. Daß er von seinen Studierenden nicht mehr forderte, als er selbst zu geben bereit war, wirkte bei- spielhaft. Zwar setzte er gern einmal für elementare Aufgaben zeit- liche Maßstäbe, doch belohnte er dann gute Leistungen und Fortschritte. An Diensträumen standen dem Geodätischem Institut damals im Hauptgebäude zur Verfügung:
im Erdgeschoß des Südflügels: Professoren-, Assistentenzimmer, Vorlesungs- und zugleich Zeichensaal, Sammlungsraum der geodätischen Instrumente mit Dunkelkammer
auf dem Dach: einige Beobachtungspfeiler und meteorologische Meßstände.
Ferner befand sich seit 1924 eine Wetterstation des Reichsamtes für Wetterdienst im Botanischen Garten, deren Leiter Egbert Harbert war. Die Besondere Neigung, auch regelmäßig meteorologische Beobachtungen zu machen, hatte wohl ihren Ursprung im anregenden Studium auch der Meteorologie an der Universität Berlin gehabt und in dem Bewußtsein der Abhängigkeit unserer geodätischen Messungen von den Wetterbedingungen. Wie er ungeübtes Personal anleitete, sich gegen grobe Fehler durch Ablesung und Gegenablesung zu sichern, entsprach seiner Art, die Zuverlässigkeit der niedergeschriebenen Zahl zu sichern.

Bei geodätischen Messungen finden wir diese Sicherungen durch Ablesen dekadischer Ergänzungen oder des Hilfszeigers bei Kreisablesungen. Für die geodätischen Berechnungen verwendete er zum Schutz gegen Rechenfehler entweder unabhängige Zweitberechnungen oder Sicherungsberechnungen nach anderen Formeln.

Doch war das Pedanterie ? - wie wohl junge Studierende meinten. M.E. war es allein der Versuch, bei Anfängern die Sicherheit der Beobachtung und die Zuverlässigkeit der Ablesung zu erreichen. Allerdings sei zugegeben, daß der erfahrene Praktiker auf manche dieser Kontrollen verzichten konnte.

Besondere Jahresereignisse waren die großen Vermessungsübungen, die für Architekten in Riddagshausen oder im Lechlumer Holz, für Bauingenieure und Geodäten auf dem alten Flugplatz Broitzem, in der Asse und im Harz bei Oker oder bei der Skihütte in Oderbrück abgehalten wurden. Mit den Büssing-Omnibussen wurden die Personen, mit den Lastwagen die Geräte und Instrumente befördert. Das Be- und Entladen besorgten selbstverständlich die Studenten und das Institutspersonal, dafür veranlaßte der Professor die Vorfahrt an der Molkerei und auch der Brauerei zur Mitnahme ausreichenden Vorrats.

Außerordentlich reichhaltig war die Samnlung der geodätischen Instrumente und der Rechen- und Zeichenhilfsmittel. Mit den Herstellerfirmen der Instrumente hatte Egbert Harbert sehr gute, teils freundschaftliche Verbindungen, so daß neben den interessanten alten Konstruktionen stets auch die neuesten Instrumente zur Verfügung standen. In diese Zeit fallen die experimentellen Arbeiten über die geodätische Anwendung der Zwangszentrierung und deren Veröffentlichungen, die dieses Meßverfahren für die Praxis vorbereitet haben. Gleich gute Kontakte pflegte er zu den Rechenmaschinen-Fabriken, so daß auch deren Erzeugnisse den Studierenden die Auswertearbeiten erleichterten. Es mag erwähnt werden, daß das im letzten Jahr oft genannte Rechenmaschinen-Museum von Brunsviga-Olympia längere Zeit im Sammlungsraum des Instituts gestanden hat.

Im Jahre 1925 überbrachte Egbert Harbert in Dresden an der dortigen T.H. dem Professor Bernhard Pattenhausen, der sich als erster Geodät an unserer alma mater habilitiert hatte (1880), einem früheren Mitarbeiter Carl Koppes, im Auftrag der Abteilung für Bauingenieurwesen die Ehrendoktor-Würde (Dr.-Ing. E.h.) der Carolo-Wilhelmina.

Eine wertvolle Anerkennung seiner eigenen Lehrtätigkeit war im Jahre 1927 ein Ruf primo loco an die Technische Hochschule Graz auf den geodätischen Lehrstuhl als Nachfolger von Hofrat Prof. Dr. Klingatsch. Nach erfolgreichen Bleibeverhandlungen, die eine Verbesserung des Dienstalters, 8000 M für die Beschaffung photogranmetrischer Geräte und eine Erweiterung der Diensträume erbrachten, lehnte er den Ruf ab und verblieb in Braunschweig.

In den Jahren 1923 bis 1932 waren dem Ehepaar Harbert die Töchter Gertrud Anna-Dorothea, Rosemarie, Christel, Maria und Liselotte, deren einer Pate der Reichspräsident und Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg war, geschenkt worden. Sie waren nun nämlich kinderreich, wie die Generationen vordem. Die alte Wohnung wurde eng, es gab Unannehmlichkeiten, eine Verle gung des Wohnsitzes nach Vechelde war genehmigt worden, doch es kam nicht dazu. Erst 1930 konnte eine längst fällige größere Wohnung am Löwenwall 12 bezogen werden.

Im Anfang der dreißiger Jahre herrschte dann reges wissenschaftliches Leben im Institut, dank der fürsorglichen Leitung von Egbert Harbert. Es wurden Diplom-Arbeiten aufgrund der Prüfungsordnung von 1927 und Dissertationen fertiggestellt. Von den letzteren möchte ich die von Kurt Schwidefsky besonders erwähnen, er führte im experimentellen Teil mit den photogrammetrischen Geräten, die mit den Mitteln aus den Bleibeverhandlungen 1927 beschafft werden konnten, terrestrische Stereoaufnahmern und -auswertungen an der Alten Waage und an der Martinikirche durch.

Ab 1931 war Professor Harbert Mitglied des Obereichamtes für das Land Braunschweig.

Die Carolo-Wilhelmina umfaßte nach Trennung von Maschinenbau und Elek- trotechnik, nach Hinzunahme der Abteilung für Kulturwissenschaften sowie der Abteilung für Luftfahrt im Studienjahr 1936/37 insgesamt 9 Abteilungen, die dann erstmals im Jahre 1937 nach Gründung der Pädagogischen schen Hochschule zu 3 Fakultäten zusammengefaßt wurden. Das Geodätische Institut gehörte seit 1927 (?) zur Abteilung für Bauingenieurwesen. Egbert Harbert hatte zahlreiche gute Freunde unter den Kollegen, sein Fach hatte Geltung und seine Lehre war anerkannt.

Im Jahre 1931/32 hatte Egbert Harbert erreicht, daß 2 Semester planmäßigen Studiums an unserer T.H. für das Studium der Vermessungsingenieure in Preußen angerechnet wurden und darüber hinaus, daß preußische Kandi- daten des höheren Vermessungsfaches - also nach Abschluß eines sechssemestrigen Studiums - und Ausländer hier das Diplomexamen in der Fachrichtung Vermessungswesen ablegen konnten. Leider entfiel diese Möglichkeit im Jahre 1938, als nach dem Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (5. 5. 1938) in Braunschweig das Fach Geodäsie nur bis zur Diplom-Vorprüfung studiert werden konnte. Übrigens hatte Professor Harbert - wohl in Parallelität zu seinem Studienfreund Professor Dr. phil. Erich Brennecke in Berlin - 1934/35 die Namensänderung in ''Institut für Vermessungskunde'' genehmigt erhalten.

Die 1932 erfolgte Ernennung zum Mitglied des technischen Beirats des Br. Instituts für Luftfahrtmeßtechnik und Flugmeteorologie bedeutete eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen.

Doch braune Wolken hatten sich über die politische Landschaft gelegt. Die neue Herrschaft mit ihrer Machtergreifung bis in die Familien, mit dem Einsatz der alten Kämpfer und mit der persönlichen Unfreiheit lehnte Egbert Harbert aus Überzeugung und aus tiefem Glauben ab. Die Führungs- und Strukturänderungen auch im akademischen Bereich bekam er zu spüren, weil er natürlich die von seinem Gewissen getragene Haltung nicht änderte.

Ab 1933/34 waren im Senat nun neben Rektor Prorektor und den 8 Dekanen auch ein Vertreter der beamteten Lehrkräfte, der Führer der Dozentenschaft, der Leiter des SA-Hochschulamtes und Vertreter der Studentenschaft in besonderen Fällen.

Als Egbert Harbert dann auch Prüfungen in der Zeit einer NS-Hochschulveranstaltung abhielt, wäre es fast zu ersten harten Maßregeln gekorrmen. Seine Vorlesungen und Übungen führte er im gewohnten Niveau unverändert weiter. Einmal kam es zu einer sonderlichen Begebenheit. Der NS-Ministerpräsident von Braunschweig wollte am Tetzelstein im Elm Grabungen veranlassen, weil er dort eine germanische Weihestätte vermutete. Er ließ den Geodäsie-Professor um eine Geländeaufnahme und um Überlassung von Literatur für geographische Ortsbestinnnungen bitten. Darauf leitete ihm dieser eine Auswahl von Fachbüchern zu - und welches wurde zur Information behalten ? Das des jüdischen Astronomen Adolf Marcuse!

Wie sehr noch die Kritik an der Stellung des Geodäten im Kriegsvermessungswesen beachtet wurde, zeigt die Einladung und Teilnahme an einem Lehrgang im militärischen Vermessungs- und Kartenwesen in Jüterbog und Döberitz (1934).

Einem doppelten Zweck dienten in jenen Jahren die praktischen Vorarbeiten für den Bau von Eisenbahnen und Industriewerken. Einmal konnten die Assistenten und Studierenden ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Ingenieurvermessung sammeln und vertiefen, zum anderen, da keine schwarzen Kassen geführt werden durften, konnte die graue Kasse der Meteorologischen Station etwas aufgefüllt werden. Nach Abschluß solcher Vorhaben liebte Egbert Harbert, die Teilnehmer zu einem Nachtkolleg einzuladen, bei dem es erst einen kurzen Vortrag gab und dann Brötchen, Gehacktes und Bier in fröhlicher Runde genossen wurden.

Sein verhaltener, feinsinniger Humor lebt in den zahlreichen Histörchen fort, die in der Familie z.T. gesammelt sind, von denen aber weitere im Institut noch heute schmunzelnd erzählt werden.

Recht nutzbringend waren auch Geländeaufnahmen an der kleinen Harzburg, an der Kaiserpfalz Werla und am Kahnstein, an denen die Frühgeschichtler Interesse hatten. Nach diesen Messungen und Auftragungen wurden im Institut auch anschauliche Reliefs gefertigt.

Im Jahre 1938 konnte Egbert Harbert an dem Internationalen Kongreß für Photogrammetrie in Rom teilnehmen, dagegen wurde die Reise 1939 nach Washington zur Generalversammlung der Internationalen Union für Geeodäsie und Geophysik abgelehnt.

Es sei hier erwähnt, daß von 1940 bis 1944/45 in der Abteilung für Luftfahrt Oberstingenieur Dr.-Ing. Klaus Aschenbrenner, s.Zt. Berlin, als Lehrbeauftragter das Luftbildwesen in Vorlesungen und Obungen vertrat über zahlreiche Begebenheiten und die Schwierigkeiten aus jener Zeit hat Egbert Harbert den jungen Kommilitonen seiner Korporation nach dem 2. Weltkrieg in einem Vortrag berichtet.

Die dunklen Wolken verdichteten sich, das vernichtende Ungewitter des 2. Weltkrieges zog herauf. In den Hörsälen der T.H. konnten nur wenige Hörer studieren. Zu denen, die hinaus mußten, gehörte auch der Sohn Ernst Harbert. Das harte Schicksal ließ ihn nicht zurückkehren, eine tiefe Trauer erfaßte die Familie und alle ihre Freunde.

In diesen schweren Jahren hielt Professor Harbert die Verbindung mit allen Angehörigen des Geodätischen Institutes, bekannten Geodäten, Bauingenieuren und Architekten durch einfach gelichtpauste Rundbriefe aufrecht, so schlug er menschliche Brücken von der Heimat zur Front und erinnerte an alte Freundschaften und Zusannnenarbeit. Aus dem Gedanken, das fachliche Wissen nicht allzusehr verkümmern zu lassen, schrieb er Lehrbriefe über einfache vermessungstechnische Verfahren, woraus sich später seine zweibändige ''Vermessungskunde'' entwickelt hat.

Wegen der sich wiederholenden Bombenangriffe und der Zerstörungsgefahr lagerte Egbert Harbert seine wertvollsten Instrumente aus. Das erwies sich als rettend, denn die im Hauptgebäude verbliebenen Instrumente und Geräte wurden zerstört und damit ein Teil des Lebenswerkes von Egbert Harbert.

6.

Die vollständige Zerstörung der Instituts-Räume erforderte nach Kriegsende die Trümmeräumung, auch Prof. Harbert und seine Mitarbeiter waren mit Engagement und Einsatzwillen dabei, um sehr bald die ersten Versuche zu machen, den Lehrbetrieb wieder zu beginnen. Es gab nacheinander mehrere Behelfsunterkünfte, im Mühlenpfordt-Gebäude der Elektrotechnik, im Botanischen Institut und im Bunker Methfessel-Straße. Alle diese Unterschlupfe wurden im wesentlichen durch die persönlichen Freundschaften mit den Kollegen jener Institute möglich. Schließlich wurden Diensträume im Nordflügel des Hauptgebäudes zugewiesen, so daß wieder ein vollständiger und geordneter Lehr- und Übungsbetrieb ablaufen konnte. Mit seiner umfassenden Hochschul- und avch Verwaltungserfahrung wurde er in der T.H. unter dem Rektorat von Prof. Dr. Gaßner zum Dekan der Fakultät für Bauwesen und in der Stadt Braunschweig zum Ratsherrn gewählt. Es ist bezeichnend für seine sachbezogene und unabhängige Tätigkeit, daß seine Meinung und sein Rat von Vertretern aller Parteien im Stadtparlament gewürdigt wurde.

So hielt Egbert Harbert nach dem Kriege wiederum Vorlesungen und Übungen für Architekten in den einfachen Meßmethoden nach Lage und Höhe sowie in der Herstellung von Lageplänen, für Bauingenieure in der darüber hinausgehenden Vermessungs- und Instrumentenkunde mit einfacher trigonometrischer Punktbestimmung, mit Polygonierung und tachymetrischer Geländeaufnahme bis zur Auftragung von Höhenlinienplänen, auf deren Bedeutung als zuverlässige Planungs- und Entwurfsunterlagen in der Praxis er besonderen Wert legte, für Geodäten, die bis zur Diplom-Vorprüfung notwendigen Disziplinen, also

Vermessungskunde I - III
Vermessungsübungen I - II mit Ausarbeitung
Geodätisches Rechnen
Planzeichnen und Topographisches Zeichnen
Fehlerlehre und Ausgleichungsrechnung
Sphärische Astronomie und geographische Ortsbestimnung.

In Topographie und Kartographie sowie Kartennetzentwurfslehre fanden s.Zt. auch Vorlesungen und Übungen für Geographen und Geologen von Lehrbeauftragten statt.

Zu den von ihm abgehaltenen Prüfungen, die meist einen praktischen und einen theoretischen Teil enthielten, konnten eigene Studienunterlagen mitgebracht werden, daneben wurden alle Hilfsmittel bereitwillig gestellt. Nach der Prüfung konnten die gestellten Aufgaben in die Sammlung der Fachschaft gern übernommen werden.

Alle seine Studierenden haben anerkannt, auch wenn sie manchmal über die Leistungsforderungen haderten, daß sie in diesem Bildungsabschnitt sehr viel erhalten haben und für das Studium in den höheren Semestern sowie für die spätere Praxis wohlvorbereitet waren. Seine Mitarbeiter hat er zu eigenem Denken angeregt, er liebte es nicht, Dissertations-Themen zu stellen, diese sollten selbst gewählt sein, niveautragende Arbeiten unterstützte er gern, auch mit Kritik.

Jeder seiner Tage war mit Arbeit voll ausgefüllt, so ist verständlich, daß auch seine Mitarbeiter lange Tage brauchten, um die oft ideenreich zusammengestellten Aufgaben zu bewältigen.

Der Wert seiner Lehre lag in der gewissenhaften Vorbereitung sowie dem klaren Aufbau und Vortrag der Vorlesungen, dadurch wirkten sie leicht verständlich und überzeugend. Die Übungen dienten stets als Meßexperiment mit Geräten und Instrumenten unterschiedlicher Genauigkeit hin bis zur selbständigen zweckbestimmten Beobachtung, die Berechnungen dienten ebenfalls der Benutzung verschiedener Hilfsmittel und mathematischer Grundlagen bis zum eigens erreichten sicheren Ergebnis, das dann für Analysen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen eine sichere Grundlage bildete.

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß E.H. im Institut auch stets die Ausbildung einiger Vermessungstechniker-Lehrlinge vornahm. Sie bekamen hier zwar nicht arg viel Kenntnisse im staatlichen Vermessungs- und Katasterwesen mit, lernten hingegen ganz vorzüglich die Instrumente und die Meßpraxis sowie die Rechenverfahren und -hilfsmittel kennen, so daß einige von ihnen anschließend gute Prüfungen auf der Fachschule ablegten und sich den 2. Bildungsweg öffneten. Sie waren aber auch stete Helfer bei den Vermessungsübungen und beim Wetterdienst.

Wer in jenen Jahren mit Prof. Harbert gearbeitet hat, weiß um den herben Schmerz in seiner Familie, hat aber auch miterlebt, daß er sah und erkannte, wie und wo er helfen konnte und mußte die menschliche Not zu lindern und sachliche Schäden zu beheben. Seine Gabe und sein Wille zur Mithilfe beim Herauskonxnen aus dem Chaos und der Zerrissenheit trat imner stärker hervor. Mit Bewunderung konnte gesehen werden, wie seine Bereitschaft zum Dienen mit der Schwierigkeit der erkannten Aufgabe wuchs. Mit diesem Ethos hat er bei der Trümmerräumung in der T.H. mitgewirkt, hat er als Direktor des Instituts für Vermessungskunde die Lehrveranstaltungen wieder aufgenomnen und die notwendigen Instrumente und Geräte beschafft, hat er auch der wiedergewonnenen akademischen Selbstverwaltung als Dekan der Fakultät für Bauwesen beim Wiederaufbau der T.H. zur Verfügung gestanden und vielen, vielen Studierenden geholfen, auch den Gruppen von Ausländern, die bald wieder hier studierten.

In der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft gehörte E.H. zu den ordentlichen Mitgliedern seit der Gründung (1949).

Seine große Fürsorge galt darüber hinaus der Sammlung der Berufskollegen durch die Neugründung des Deutschen Vereins für Vermessungswesen, zuerst 1948 in der britischen Besatzungszone, dann 1950 für das Bundesgebiet und Westberlin, dessen Vorsitzender er von 1950 - 1953 war und dessen Ehrenvorsitzender er dann in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste wurde.

Fast nicht vorstellbar ist, daß er in jener Zeit einen wesentlichen Teil seiner umfangreichen Korrespondenz an Briefen und Postkarten handschriftlich erledigte, aber auch seine Sekretärin hatte noch ausreichend zu tun.

E.H. war Nichtraucher, daß er indessen einen wohlausgestatteten Weinkeller hatte, war daraus zu folgern, daß er bei besonderen Anlässen mit seinem Gast einen guten Tropfen nach Lage und Jahrgang trank.

Eingedenk der weltweiten Geltung der deutschen Geodäsie während seiner Berliner Zeit strebte er sodann auch die Wiederbelebung der deutschen geodätischen Forschung an und war gemeinsam mit dem Kollegen Professor Dr.-Ing. Max Kneißl, München, unserem späteren Ehrendoktor, maßgebend beteiligt an der Gründung der Deutschen Geodätischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1950) und des Deutschen Geodätischen Forschungsinstituts. Dank seiner persönlichen kollegialen Verbindungen nach Frankreich, der Schweiz und Österreich konnte er auch sehr wirksam zu der Wiederaufnahme der deutschen Geodäten in die Internationale Union für Geodäsie und Geophysik und in die Fédération internationale des géomètres (FIG) beitragen.

Überaus bemerkenswert waren seine Reisen nach Polen, wo er als wissenschaftlicher Botschafter mithalf, die kollegialen Verbindungen wieder herzustellen.

Diese überragenden Aktivitäten wurden 1952 mit der Verleihung des Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und mit der Verleihung der Würde eines Dr.-Ing. Ehrenhalber der T.U. Berlin anerkannt, die Ehrendoktor-Urkunde wurde ihm an seinem 70. Geburtstag hier in einer Feierstunde von dem Dekan der Fakultät für Bauwesen der T.U. Berlin, Professor Dr.-Ing. Otto Lacmann (Photogrammetrie), und von seinem langjährigen besten Freund Professor Dr. phil. Erich Brennecke, mit dem er alle die Jahre hindurch die wissenschaftlichen und organisatorischen Fragen gemeinsam beraten hatte, überreicht. Zu den erhaltenen Ehrungen gehörte auch die Verleihung der Wetterdienstplakette des Deutschen Wetterdienstes 1956. Ferner war international bedeutsam die Verleihung der Ehrenmedaille des Präsidenten der ''Ville de Paris'' anläßlich des FIG-Kongresses 1953.

7.

Inzwischen war er am 31. 3. 1951 emeritiert worden, vertrat allerdings das Fach noch bis zur Berufung seines Nachfolgers Professor Dr.-Ing. Hellmut Bodemüller am 1. 11. 1951.

Oft noch ging er in der Folgezeit am Franzschen Feld an den übenden Gruppen der Architekten, Bauingenieure und Geodäten vorbei, doch er hatte eingesehen, seine fachlichen Ratschläge und Hilfen hier nicht mehr geben zu können. Dagegen hat er in den geodätischen Kolloquien seine Beiträge noch gern gegeben.

Aus meiner Amtszeit erinnere ich mich gern an unsere Treffen und Gespräche, bei denen er sein lebhaftes Interesse an dem Fortgang des akademischen Geschehens und seine Freude über die Informationen zum Ausdruck brachte, aber auch an eine wortlose Unterhaltung während meiner Rektoratsübernahme, als ich in der Antrittsrede von unserer Hochschule sprach und dabei Carolo- Wilhelmina betonte, begegneten sich unsere Blicke und wir nickten uns verständnisvoll zu. Das war die Zeit, in der ich etwas von dem Vertrauen zurückgeben konnte, das ich früher empfangen hatte.

Sein unermüdliches Denken und Schaffen für die Familie, für sein Hoch schulinstitut und seine Mitarbeiter, für die Kollegenschaft und für die internationale Zusammenarbeit kann nur mit Bewunderung betrachtet werden.

Liebevoll betreut von seiner Gattin und den Töchtern, das Haus auch lebenerfüllt von den Enkelkindern, verlebte E.H. die verbleibenden Jahre im Haus Fasanenstraße 31 (ab 1936). Dort konnte ich ihn nochmals sehen, nachdem er am 22.1.1968 heimgegangen war aus seinem erfüllten Leben.

Die Familie hat ihn in seiner sauerländischen Heimat in Arnsberg zur letzten Ruhe beigesetzt.

Wenngleich sein irdisches Leben beendet ist, so wird Prof. Dr. phil., Dr.-Ing. E.h. Egbert Harbert auch in der Geschichte unserer Carolo-Wilhelmina und unseres Institutes in Achtung und Verehrung fortleben.

Veröffentlichungen Lebensdaten:


Ehrungen, Auszeichnungen

20.7.1916
E.K. II
25.3.1935
Ehrenkreuz für Frontkämpfer
28.10.1942
Goldenes Treudienst-Ehrenzeichen, 40-jähr. Dienstjub.
31.10.1952
Dr.-Ing. E.h. T.U. Berlin-Charlottenburg
1.12.1952
Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
8.5.1953
Ehrenmitglied DVW
11.8.1953
Ehrenvorsitzender DVW
2.9.1953
Ehrenmedaille des Präsidenten der ''Ville de Paris'' - anl. F.I.G. - Kongreß
1.9.1956
Wetterdienstplakette des Deutschen Wetterdienstes


Literatur

  • E.Brennecke: Der 1. Vorsitzende des DVW Prof. Dr. Egbert Harbert vollendet am 25. il. 1952 sein 70. Lebensjahr
    ZfV 1952, S. 358
  • K.Gerke: Prof. Or. phil. E. Harbert Ehrendoktor der Technischen Universität Berlin.
    ZfV 1953, S. 2
  • E.Brennecke: Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. phil. Egbert Harbert Ehrenvorsitzender des Deutschen Vereins für Vermessungswesen (DVW)
    ZfV 1954, S. 1
  • E.Brennecke: Ehrung für Prof. Harbert (Wetterdienstplakette) ZfV 1957, S. 29
  • Hans Härry, Bern: Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. E.h. Egbert Harbert vollendete am 25. November 1962 sein 80. Lebensjahr
    AVN 1962, S. 414
  • L.Jäger: Professor Harbert 80 Jahre
    ZfV 1962, S. 401
  • K.Gerke: Egbert Harbert ZfV 1968, S. 111
  • B.Schrader: Egbert Harbert - Gedächtniskolloquium
    ZfV 1968 , S. 526
  • B.Schrader: Egbert Harbert - Gedenkkolloquium 25. 11. 1982
    T.U. Braunschweig, ZfV 1983