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Martin Friedrich Seidel: Bildersammlung wohlverdienter Männer ...

LIII. S. n.XXIX
LIV.
Matthäus Ludecus


1. Matthäus Ludecus war zu Wilsnack Ao.1517 geboren, am Tage Matthäi des Evangelisten. Sein Vater hieß Matthäus Lüdecke, die Mutter Anna Dickin, welche byde frühzeitig mit Tode abgingen. Nachdem unser Matthäus unterschiedene Schulen so wohl zu Hause als zu Perleberg, Prizwalk, Salzwedel und Seehausen besuchet hatte, wurde er Ao.1543 von dem Bischoff zu Havelberg, Busso von Alvensleben zu seiner beyden Vettern Hofmeister angenommen, daneben er zugleich in des Bischofs Canzley aufwartete. Nach iztgedachten Bischofs Ao.1548 erfolgten Absterben begab er sich auf die Universität Franckfurt, allwo er anderthalb Jahr bliebe, nach deren Verlauf ihn der damalige Hauptmann in der Prignitz und Rupin Curdt von Rohr als Schreiber annahm. Als Er diesen Dienst 4 Jahr verwaltet hatte, nahm ihn auf Vorbitte des von Rohr die Stadt Lüneburg als geheimen Secretarium in Bestallung, wiewohl mit dem Beding, daß er noch ein paar Jahr auf einer Universität zubringen solte. Er ging also wieder nach Franckfurt, hörte Schvrfium fleißig, und erhielt von dem Rath zu Lüneburg jährlich ein Stipendium von 50. Thalern. Hierauf brachte ihm ermeldter Hauptmann durch unterthänigste Fürbitte bey dem Churfürsten Ioachim II. ein Primarium über die erste im Stifft Havelberg vacirende Pæbende zu wege, welche ihm auch nach erfolgten Absterben eines alten Canonici Conradi Schollen, (welcher der letzte gewesen, so die Münchs=Kappe getragen hat) von dem damaligen Decano Petro Conradi ohne einigen Wiederstand conferiret, und er also als ein Membrum ecclesiæ cathedralis investiret wurde. Als er zum drittenmahl nach Franckfurt zoge, wurde er nach Lüneburg verlanget. Weil er aber so viel Jahre nicht versprechen wolte, als man verlangte, so ward er Ao.1550 von dannen nach Prenzlau als Syndicus beruffen, wo er einige Jahre ausgehalten.

2. Nach Verlauf zweyer Jahre, und also Ao.1558 heyrathete er Henrich Daniels eine Bürgers in Perleberg Tochter, mit welcher er in einer Ehe von 49. Jahren 5. Söhne6.3und 2. Töchter gezeuget. Ao.1560 wurde er als Creiß=Einnehmer in der Prignitz bestellet, welchem Ammte er 20. Jahr rühmlich vorgestanden, und das Decanat im Stift Havelberg 33. Jahr verwaltet, wassen er seit dem Jahr 1562. zu Havelberg gelehret, und das Einnehmer=Ammt daselbst zugleich versehen hat. Das Decanat erhielt er Ao.15736.4. resignirte Ao.1580. die Land=Einnahme6.5, und beschloß sein Leben Ao.1606. den 12.Nov. seines Alters im XC. Jahr. Er ist also nicht Bischof zu Havelberg (wie ihn das Zedlerische allgemeine Lexicon nennet) sondern der erste Evangelische Dechant daselbst gewesen.

3. Von seinen Schriften sind folgende bekannt. (I) Historia von der Erfindung, Wunderwerken und Zerstörung des heil. Bluts zu Wilsnack samt den hierüber und darwieder ergangenen Schriften, Wittenb. 1586.4. Den Inhalt dieses Buchs erzehlet meine bibliotheca Brandenb. p.171. S. auch die fortgesetzte Sammlung von A. und R. Theol. Sachen 1748. p. 162. feq. (2) Complet Gesang Simeonis des Gerechten, HErr nun lässest du x. darinnen die edle Sterbe-Kunst in 4. Regeln verfasset ist, Leip. 1581.8. (3) Praxis oder Gebrauch der guldenen Sterbe=Kunst, darin gewisser Männer Valet- oder Kampfsprüche enthalten. (4) Auserlesene und fröhliche Auslegungen der vornehmsten und tröstlichsten Stücke über die Sonn= und Feiertags=Evangelia, Episteln Pauli, und andere schöne Sprüche heil. Schrift aus Lutheri Schriften zusammen gezogen, Witt. 1572. (5) Vesperale & maturinale, in quibus cantica hymni & collectæ five precationes ecclesiasticæ ex notis rite applicatæ & in II. partes ordine digestæ. Der berühmte DAVID CHYTRAEUS hat ein ziemlich lange Vorrede hiezu gemacht, die Dedication aber, welche Ludecus vorgesetzt, ist diese: ,,Trino & Deo, sine quantitare magno, sine qualitate bono, sine indigentia Creatori, sine situ præsenti, sine loco vbique toti, sine temproe sempiterno, cui foli gloria, laus & honor, nec non prima merito debetur pro omnibus benefieiis quæ singulis momentis in nos confert, MATTÆUS LUDECUS Eccl. Havelbergensis Decanus Witt. 1589. f. Eine weitläufftige Nachricht giebt meine Bibliotheca Brand. p.120. (6) Explication articuli de remissione peccatorum, Witt. 1599.4. (7) Missale cathedralis ecclesiæ Havelbergensis i. e. cantica, preces, ac lectiones facræ, quæ pio veterum instituto in templis Christianorum cantari solent in 2. partes distributa. ib. cod. ist dedicirt dem Churfürsten Johann George und dem Administratori zu Magdeburg Joachim Friederich. S. Unschuldige Nachrichten 1706. p. 131. und meine bibliothecam Brandenburgicam, l.c. In PFAFFJI disquisit. de liturgiis wird p.53. das missale, so zu Wittenberg Ao. 1488. heraus gekommen, diesem LUDECO zugeschrieben, und derselbe Cardinalis und Episcopus ecclesiæ Havelb. genennet. Nun ist bekannt, daß Wittenberg unter dem Bischof zu Brandenburg gestanden: also ist kein missale Wittenbergense jemals gewesen, und Ludecus hat um das Jahr 1488. nicht gelebet, ist auch weder Cardinal noch Bischof gewesen. Eben diesen Irrthum hat MARCHAND in seiner Histoire de l'origine de l'Imprimerie in Recension dieses Buches begangen, wie der gelehrte Herr Bünemann in seiner notitia artis typographicæ p. 40. bemercket. (8) In des ehemaligen Bibliothecarii zu Stendal Sculteti Bibliothec hat sich ein MSc. gefunden, welches dieser Ludecus unter folgenden Titel zusammen getragen: Allerhand unförmliche und ungeschickte, jedoch zu lesen und zu hören ganz lustige und kurtzweilige Lateinische und teutsche Reden und Schreiben etlicher gelehrten und ungelehrten, so wohl des geistlichen als weltlichen Standes Personen gemacht, von vielen Jahren her, mit sondern Fleiß zusammen getragen und in gegenwärtig Corpus verfasset 1592. Heimreich in seinen annalibus Tangermündensibus führet p.15. ein gewisses Chronicon ecclesiæ cathedralis von diesem Ludeco an: ich habe es aber niemals zu sehen bekommen können.

4. Unter den Söhnen dieses MATTÆI hat Lucas Domherr und Inhaber der Domprobstey zu Havelberg einen Sohn Namens Germanum gezeuget, der als Burgemeister zu Stendal Ao.1672 gestorben, dessen Sohn Christian gleichfals daselbst als Burgemeister gelebt, der Enckel aber Joach. Friedrich vor einigen Jahren als Königl. Preußl. Geheimer und Ober-Appelations-Rath, auch Præsident der Stadt=Gerichte in Berlin gestorben.

5. Im innern Chor der Dohm=Kirchen zu Havelberg findet sich eine Taffel mit folgender Schrifft:
,,In Laudem trini & unius Dei omnium Creatoris. Erige cor sursum proser bene, respice sensum. Et recte, fivis, psalle, repsalle Deo: nam non vox sed votum, non cordula musica sed cor, non clamans, sed amans cantat in aure Dei. Sic igitur canat servus Christi, vt non vox canentis fed verba placeant, quæ cantatur. Plerique enim Deum vocibus sequuntur, sed moribus fugiunt, & dum blande vox quæritur, bona vita deseritur, dum Cantor populum vocibus delectat, Deum moribus stimulat, qui mentis affectum & devotionem cordis requirit, & psallentis lacrymas magis adspicit, quam vocis melodiam. Quare non folum lingua, fed & opere & moribus lauda Deum, & vide,, vt, quod ore cantas, corde credas, & quod corde credis, operibus comprobes, Cantet vox, cantet vita, cantent facta in laudem Trini & vnius Dei omnium Creatoris Amen. MATTHÆVS LVDECVS Decanus Ecclesiæ Havelberg. F.F. Anno gratiæ & novissimi tempotis MDLXXXV-.
Ausser dieser Taffel findet sich noch eine in der Kirche unter LVDECI Nahmen, in welcher angedeutet wird, wenn das Stift von dem Papistichen Sauerteig gereinigt worden. Man kan es aber nicht vollkommen lesen, weil bey dem dreyßigjährigen teutschen Kriege auf Einrathen des Cantzler Pruckmanns die Jahreszahl darinnen, und was sonst etwa den Papisten zuwieder seyn möchte, ausgelöschet worden. Schließlich ist zu mercken, daß LUDECVS unterschiedene Legata ad pias causas vermacht, darunter 600. Floren auf dem Rathhause zu Havelberg zinsbar erlegt sind, davon die armen Currendarii in Wilsnack bekleidet werden sollen. Vielleicht hat er hierbey sich erinnern wollen, daß er selbst drey Jahr seiner Jugend in der Currende mit gesungen6.6.

6. Ludeci Grabstein, so in der Dohm=Kirche zu Havelberg annoch zu sehen, hat folgendes Epitaphium

,,Condictus est sub hoc faxo MATTHÆUS LVDECVS Decanus, qui cum per multos annos huic ecclesiæ & patriæ feliciter præfuisset & profuisset, tandem fatis confessit anno Christi 1606. die vero XII. Nov. cuius anima fit in fasciculo viventium.``
In der Mitte ist das Wappen. An der Mauer gegen diesen Stein ist noch ein Monument mit unterschiedenen Säulen und Bildern, in der Mitte ein Crucifix mit den Worten: Aspice mortalis, pre te datur hostia talis. Unter demselben noch ein klein Creutz, zu dessen Rechten sein Bildnis mit 5. hinter ihm stehenden-Manns=Personen, so alle knien, zur lincken Hand 2.Frauens-Personen, nebst einem Kinde auch kniend6.7.

7. Ehe ich schliesse, muß ich gedencken, daß dieser erste Lutherische Decanus LVDECVS die annoch im Dohm zu Havelberg befindliche Tafel setzen lassen, woruas die Stiftung erhellet, und also zur Historie dienet. Es hat selbige STRVBIVS l.c.p.91 eindrucken lassen.